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Bürgergeld Urteil: Jobcenter muss neue Waschmaschine bezahlen

Mann kauft Waschmaschine in einem Fachgeschäft

Eine neue Waschmaschine schüttelt niemand aus dem Ärmel. Für eine solche Investition müssen viele ans Eingemachte. Da Bürgergeld Bedürftige meist keine Rücklagen haben, ist die Situation bei einem Totalschaden des alten Geräts besonders prekär. Diesen Umstand erkannte auch das Sozialgericht Kiel (Aktenzeichen S 35 AS 35/22, Urteil vom 14. März 2023) und erklärte den Kaufpreis samt Lieferung zum einmaligen Mehrbedarf.

14 Jahre altes Gerät gab den Geist auf

Der Fall: Ein 1970 geborener Bürgergeld Bedürftiger hatte für den Neuerwerb einer Waschmaschine einen Zuschuss in Höhe von 418,95 Euro (389,00 Euro plus 29,95 Euro Versand) beantragt. Der Kauf sei erforderlich, weil es sich bei dem 14 Jahre alten Gerät nachweislich um einen Totalschaden handelt. Bezahlt hatte die neue Waschmaschine der Vermieter. Die Rückzahlung sollte innerhalb eines Monats erfolgen. Doch das Jobcenter lehnte ab.

Jobcenter will nicht bezahlen

Gegen den Bescheid legte der Mann Widerspruch ein. Das Jobcenter blieb hart. Die Behörde sah weder einen Anspruch auf einen Zuschuss noch für ein Darlehen. Dem Kläger wurde vorgeworfen, den Antrag zu spät gestellt zu haben. Der Bedarf sei durch den Kauf bereits gedeckt worden. Jetzt handle es sich nur noch um Schulden gegenüber dem Vermieter.

Sozialgericht erkennt Mehrbedarf an

Der Fall landete vor dem Sozialgericht Kiel, das sich auf die Seite des Bürgergeldempfängers stellte. Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II seien erfüllt, und zwar ohne Einräumung eines Ermessensspielraums seitens des Jobcenters Kiel. Die Regelung sieht vor, dass ein Mehrbedarf besteht, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht – in dem Fall der Kauf der Waschmaschine – und ein Darlehen unzumutbar ist.

Die Höhe der Kosten für die Anschaffung der Waschmaschine samt Versandkosten seien nach Auffassung des Gerichts angemessen. Hier hatte sich die Vorsitzende etwa zwei Wochen vor der Sitzung selbst ein Bild gemacht, indem sie die Preise verglichen hatte. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der depressiven Erkrankungen des Klägers, mit bestehenden Allergien sei die Anschaffung einer neuen Waschmaschine gerechtfertigt, bei der zudem auch die Mängelgewährleistungsrechte gegeben sei. Zudem müsse auch berücksichtigt werden, dass im Zeitraum der Anschaffung der Waschmaschine (Herbst 2021) ein Chipmangel herrschte, was ebenfalls zu preislichen Besonderheiten führte.

Aus dem Regelbedarf nicht finanzierbar

In dem Zusammenhang verwies das Sozialgericht auf die Regelbedarfe beim Bürgergeld. Für Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspüler und Bügelmaschinen sei ein monatlicher Betrag von 1,60 Euro (EVS 2018) vorgesehen. Wir haben bereits 2020 unter

Hartz IV Wahnsinn: 1,60 Euro im Regelsatz für eine Waschmaschine

darüber berichtet. Rechnet man hoch, wie lange der Mann hätte sparen müssen, wären es fast 22 Jahre gewesen. Daher betonte die zuständige Richterin: Der Kläger könne nicht darauf verwiesen werden,

„diesen Kauf durch eine Ansparung aus dem Regelbedarf zu finanzieren“.

Gefahr der Unterdeckung

Das Problem, auf das man in Kiel aufmerksam machte: Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), auf der die Regelbedarfe basieren, erfolgt über einen Zeitraum von einem Quartal. Der Kauf einer Waschmaschine falle hingegen nur im Abstand mehrerer Jahre an. Die Datenerhebung bilde daher „keine hinreichend aussagekräftige Datengrundlage für die Berechnung existenzsichernder Leistungen“. Auf die Gefahr einer Unterdeckung beim Kauf notwendiger Konsumgüter, die nur alle paar Jahre angeschafft werden, habe das Bundesverfassungsgericht bereits 2014 hingewiesen (Beschluss vom 23. Juli 2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13, juris).

Gegen das Urteil wurde vom Jobcenter Kiel Berufung beim Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Aktenzeichen L 6 AS 41/23, eingelegt.

Hinweis der Redaktion: Hierbei handelt es sich um eine Entscheidung eines Sozialgerichts, welches auf einem individuellen Sachverhalt beruht. Diese Entscheidung hat keine pauschale oder bundesweite Gültigkeit, kann allerdings in der Argumentation für eine eigene Klage dienen.

Bild: BearFotos/ shutterstock.com

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