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Bürgergeld-Urteil: Gericht erkennt Mehrbedarf für Schuhe an

Symbolbild für den Mehrbedarf: Füße und weiße Schuhe, für die das Sozialgericht Hamburg einen Zuschuss zum Bürgergeld wegen krankheitsbedingtem Verschleiß genehmigt hat.

Das Sozialgericht Hamburg hat einer Bürgergeld-Empfängerin einen monatlichen Zuschuss zugesprochen, da eine neurologische Erkrankung bei ihr zu einem extrem erhöhten Verschleiß ihrer Schuhe führt. Das zuständige Jobcenter hatte den Mehrbedarf zuvor abgelehnt und die Frau an die Krankenkasse verwiesen.

Der Fall: Neurologische Erkrankung führt zu extremem Schuhverschleiß

Die 56-jährige Klägerin forderte vom Jobcenter einen monatlichen Mehrbedarf von 70 Euro. Der Grund: Eine neurologische Erkrankung verursacht eine Fehlstellung ihrer Beine, Sprunggelenke und Füße. Das daraus resultierende abnorme Gangbild macht handelsübliche Schuhe bereits nach ein bis zwei Monaten unbrauchbar.

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Ein ärztliches Attest bestätigte den ataktischen Gang und den daraus resultierenden regelmäßigen Schuhbedarf. Allein in einem Zeitraum von rund fünf Monaten musste die Klägerin 256,84 Euro für vier Paar Schuhe ausgeben.

Jobcenter lehnt Mehrbedarf ab und verweist auf Krankenkasse

Das Jobcenter wies den Antrag der Frau zunächst ab und verwies sie auf die Krankenkasse. Diese lehnte die Kostenübernahme für Straßenschuhe jedoch ab. Die Kasse übernimmt lediglich die Kosten für Hilfsmittel, wie orthopädische Schuhe oder Einlagen, nicht aber für normale Alltagsschuhe, die auch Gesunde tragen.

Nachdem auch der Widerspruch der Klägerin erfolglos blieb, zog die bedürftige Frau vor das Sozialgericht Hamburg.

Sozialgericht Hamburg: Krankheitsbedingter Bedarf ist unabweisbar

Das Sozialgericht Hamburg gab der Klägerin vollumfänglich recht. Das Jobcenter wurde verurteilt, der Bürgergeld-Empfängerin einen laufenden monatlichen Mehrbedarf nach $\S 21$ Abs. 6 SGB II in Höhe von 19,46 Euro zu gewähren. Dies entspricht einer Gesamtzahlung von 116,76 Euro für den gesamten Bewilligungszeitraum.

Laufender, besonderer Bedarf vs. Regelsatz

Das Gericht stellte klar, dass der Bedarf der Klägerin an handelsüblichen Schuhen laufend und besonders ist. Er unterscheide sich signifikant von dem typischer Leistungsempfänger. Die neurologisch bedingte Gehweise führt zu einem übermäßigen Verschleiß, der durch den pauschalen monatlichen Regelsatz nicht abgedeckt werden kann.

Bestätigt durch Gutachten: Mehrere ärztliche Atteste und ein amtsärztliches Gutachten belegten den unüblichen, innerseitigen Verschleiß der Schuhe nach kurzer Zeit.

Kein Hilfsmittel: Die benötigten handelsüblichen Straßenschuhe fallen unter Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und sind daher nicht von der Krankenkasse zu übernehmen.

Erheblicher finanzieller Mehraufwand belegt

Die Klägerin konnte den erheblichen Mehrbedarf zweifelsfrei nachweisen:

Position Monatlicher Betrag
Durchschnittlicher Bedarf (Damenschuhe) 5,30 €
Bedarf der Klägerin 24,76 €
Differenz (Mehrbedarf) 19,46 €

Dieser Nachweis belegte, dass ihre Ausgaben für Schuhe deutlich über dem Durchschnitt liegen.

Keine Einsparmöglichkeiten möglich

Das Gericht berücksichtigte zudem die engen finanziellen Spielräume der Klägerin. Einsparmöglichkeiten zur Deckung des Spezialbedarfs wurden verneint. Die Klägerin erklärte zusätzlich, dass ihre Erkrankung weitere Kosten verursacht, die ebenfalls aus dem Regelsatz bestritten werden müssen, wie:

  • Häufigerer Bedarf an neuer Kleidung aufgrund von Stürzen.
  • Höhere Kosten für Arztbesuche.

Einordnung des Urteils

Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg (Az. S 39 AS 100/21 vom 23.08.2022) ist ein wichtiges Signal: Bei krankheitsbedingtem und unabweisbarem Mehrbedarf, der nicht durch andere Träger (wie die Krankenkasse) gedeckt ist, muss das Jobcenter eine zusätzliche Leistung zum Bürgergeld gewähren. Zudem wurde das Jobcenter zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin verurteilt.

Wichtig: Es handelt sich hierbei um eine Entscheidung der untersten Gerichtsinstanz in einem Einzelfall. Das Urteil ist nicht bundesweit bindend, kann aber für andere Bürgergeld-Empfänger als Argumentationshilfe dienen, wenn sie selbst einen ähnlichen Mehrbedarf beantragen.