Menschen bloßzustellen, die sich in einer ohnehin schon schwierigen Lage befinden: Für Jobcenter scheinbar kein Problem. Indem sie eine Vermieterbescheinigung verlangen, sorgen sie dafür, dass sich Hhilfebedürftige bei ihrem Vermieter als Bürgergeld Leistungsempfänger outen müssen. Das ist äußerst unangenehm und verstößt gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Darauf macht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) seit über zehn Jahren aufmerksam. Dass Jobcenter die Vorschriften dennoch missachten, basiert meist auf Bequemlichkeit.
Wohnkosten berechnen und prüfen
Eine Vermieterbescheinigung ist für viele Jobcenter das Mittel der Wahl, um prüfen zu können, ob die Wohnung eines Bürgergeld Empfängers angemessen ist oder eben nicht, und um die Wohnkosten berechnen zu können. Der Vermieter liefert auf diese Weise alle relevanten Informationen auf einen Schlag. Kurzum: Sie macht den Behörden am wenigsten Arbeit, bringt Menschen, die ihren Job verloren haben, allerdings in eine echte Bredouille.
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Hosen vor dem Vermieter herunterlassen
Bürgergeld Bedürftige werden damit gezwungen, nicht nur im Amt, sondern buchstäblich auch vor dem Vermieter die Hosen herunterzulassen. Zugeben zu müssen, dass man auf staatliche Hilfe angewiesen ist, dürfte niemandem leichtfallen. Schon gar nicht, wenn man bislang immer auf den eigenen Beinen gestanden und den Lebensunterhalt mit der eigenen Hände Arbeit bestritten hat. Plötzlich arbeitssuchend und Leistungsempfänger zu sein, nagt gewaltig am Selbstbewusstsein. Damit geht man nicht freiwillig hausieren.
Mahnende Worte vom Datenschutzbeauftragten
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hat in einem Rundschreiben an die Jobcenter deshalb hervorgehoben, dass sie „Kunden und Kundinnen nicht zur Vorlage einer vom Vermieter ausgefüllten und unterschriebenen Mietbescheinigung verpflichten“ dürfen. Schon im 25. BfDI-Tätigkeitsbericht für die Jahre 2013 / 2014 hatte man das Thema aufgegriffen und informiert, dass die Daten zu Miete und Heizkosten auch mit anderen Unterlagen nachgewiesen werden können.
Anzumerken ist zwar, dass sich das Rundschreiben an die der Bundesagentur für Arbeit angehörigen Jobcenter richtet ist, dieses aber auch – da Datenschutz Bundessache ist – auch für die kommunalen in Selbstverwaltung arbeitenden Jobcenter gleichermaßen gilt.
Seit 10 Jahren das gleiche Spiel
Vor allem aber wurde schon vor zehn Jahren auf § 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X verwiesen: „Sozialdaten sind bei der betroffenen Person zu erheben.“ Ansprechpartner ist demnach nicht der Vermieter, sondern immer erst der Bürgergeld Bedürftige. Schließlich sei es datenschutzrechtlich problematisch, wenn der Vermieter durch die Forderung nach einer Bescheinigung Kenntnis über den Bürgergeld Antrag erlangt.
Darf das Jobcenter die Vorlage von Kontoauszügen verlangen?
Bequemlichkeit der Behörden
Warum Jobcenter diesen Weg gehen, statt einfach einen Blick in den Mietvertrag und andere Unterlagen wie die Nebenkostenabrechnung oder die Rechnung des Gasversorgers zu werfen, hat der BfDI bereits vor zehn Jahren erkannt: „Für die Jobcenter ist die Vorlage solcher Mietbescheinigungen die einfachste Nachweisform, da sie den Aufwand bei der Vorlage aller erforderlichen Daten deutlich vermindern kann.“ Anders ausgedrückt: Sie sind zu bequem, die Papiere von Bürgergeld Bedürftigen durchzusehen.
Leistungsempfänger entscheiden selbst
Im Rundschreiben macht der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit noch einmal unmissverständlich klar, dass Bürgergeldempfänger selbst darüber entscheiden dürfen, in welcher Form sie Nachweise zu den Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) erbringen. Das gilt auch, wenn Ämter Vordrucke zur Verfügung stellen, aus denen nicht hervorgeht, für wen und für welche Zwecke die Daten bestimmt sind.
Was tun, wenn das Jobcenter trotzdem auf der Vermieter-Bescheinigung beharrt?
Sollte das Jobcenter trotz Vorlage des Mietvertrags und einer aktuellen Nebenkostenabrechnung weiterhin auf einer Vermieterbescheinigung bestehen, empfiehlt sich ein schriftlicher Hinweis auf das Rundschreiben des Bundesdatenschutzbeauftragten sowie auf § 67a SGB X (Erhebung von Sozialdaten). Bereits mit diesen Unterlagen gilt der Wohnkosten-Nachweis als vollständig, weitere Angaben wären datenschutzrechtlich unverhältnismäßig. Bleibt die Behörde dennoch bei ihrer Forderung, kommt ein Widerspruch sowie einstweiliger Rechtschutz in Betracht.
Unterstützung bieten Erwerbslosenberatungen, Sozialverbände und andere Organisationen – oft kostenfrei. Führt der Widerspruch nicht zum Erfolg, kann zusätzlich eine Beschwerde beim Bundesdatenschutzbeauftragten erhoben werden, welche sich formlos per E-Mail übermitteln lässt. Erfahrungsgemäß reicht bereits ein solcher Verfahrensschritt, um das Jobcenter zur Rücknahme datenschutzwidriger Anforderungen zu bewegen.
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