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Pflegegeld und Bürgergeld: Was wirklich angerechnet wird

Junge Frau im Rollstuhl mit ihrer Pflegerin an der Seite

Pflegegeld und Bürgergeld – das klingt nach Konflikt, ist es aber meist nicht. Entscheidend ist, aus welcher „Ecke“ das Pflegegeld kommt. Nach den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit und gefestigter Rechtsprechung gilt: Pflegegeld ist in der Regel zweckgebunden und wird deshalb nicht als Einkommen auf das Bürgergeld angerechnet. Nur beim Pflegegeld für Pflegekinder gibt es einen Sonderweg – und selbst der ist klar geregelt.

Grundsatz: Zweckgebundene Leistungen sind anrechnungsfrei

Im Bürgergeld gilt das Prinzip der Zweckbindung: Leistungen, die ausdrücklich nicht den Lebensunterhalt sichern sollen, bleiben außen vor. Genau das steht hinter § 11a SGB II (nicht zu berücksichtigendes Einkommen). Die Wissensdatenbank und die Fachlichen Weisungen der BA stellen klar: Zweckbestimmte Zahlungen sind nicht anzurechnen. Für Pflegegeld nach der Pflegeversicherung (SGB XI) ist das die Leitlinie.

Pflegegrad 1 auf der Kippe: Sparidee zulasten Bedürftiger

Pflegegeld nach SGB XI: Für die eigene Pflege

Wer pflegebedürftig ist und Pflegegeld der Pflegekasse nach § 37 SGB XI erhält, muss beim Bürgergeld grundsätzlich keine Kürzung fürchten. Das Pflegegeld dient der Sicherstellung häuslicher Pflege – nicht dem Bestreiten des Alltagsbedarfs. Es ist deshalb zweckgebunden und bleibt bei der Einkommensberechnung außen vor. Das betonen u. a. Sozialverbände und Beratungsstellen übereinstimmend. Wichtig: Das Jobcenter sollte informiert werden, damit die Zahlung korrekt als zweckbestimmt erfasst ist.

Weiterleitung an pflegende Angehörige

Wird das Pflegegeld (SGB XI) an eine Pflegeperson – etwa einen Angehörigen – weitergegeben, ändert das am Grundsatz nichts: Die Weiterleitung ist Aufwandsersatz für Pflege und wird bei der Pflegeperson nicht als Einkommen gewertet. Das sollten in der Praxis auch die Jobcenter wissen, zumal es auch Arbeitshilfen der Bundesagentur für Arbeit bestätigen.

Pflegegeld Anrechnung beim Bürgergeld

Pflegegeld für Pflegekinder (SGB VIII): Der Sonderfall

Anders liegt der Fall, wenn von „Pflegegeld“ im Jugendhilferecht die Rede ist – also bei Pflegekindern. Die laufenden Leistungen nach § 39 SGB VIII setzen sich aus zwei Teilen zusammen:

  • Sachaufwand/Unterhalt (Aufwendungsersatz)
  • Erziehungsbeitrag (Anerkennung des erzieherischen Einsatzes)

Für Bürgergeld-Empfänger als Pflegeeltern gilt dabei seit Jahren eine differenzierte Regel:

  • Aufwendungsersatz/Unterhalt wird nicht als Einkommen der Pflegeperson berücksichtigt.
  • Erziehungsbeitrag wird erst ab dem dritten Pflegekind berücksichtigt – und zwar zu 75 % für das dritte sowie zu 100 % ab dem vierten Pflegekind.

Diese Linie stammt aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und ist in BA-Arbeitshilfen/Fachlichen Weisungen wiedergegeben. Hintergrund ist der Gedanke, Pflegefamilien nicht zu benachteiligen und die Aufnahmebereitschaft zu sichern.

Rangfolge und Zuordnung

Wichtig ist: „Erstes, zweites, drittes Pflegekind“ meint die Anzahl der gleichzeitig aufgenommenen Pflegekinder – es geht nicht um eine starre Rangfolge nach Namen oder Eintrittsdatum. In der Verwaltungspraxis werden bei mehr als zwei Kindern die durchschnittlich zufließenden Erziehungsbeiträge zugrunde gelegt. Kindergeld, das im Rahmen des Jugendamtsbescheids bereits auf das Pflegegeld verrechnet wurde, darf nicht doppelt angerechnet werden.

Neue Akzente der Rechtsprechung

Auch jüngere Entscheidungen (BSG Urteil vom 25.03.2025, B 12 KR 2/23 R) betonen den Sonderstatus des Erziehungsbeitrags. Zwar ist dieser grundsätzlich berücksichtigungsfähiges Einkommen, aber die gesetzlich vorgesehene eingeschränkte Anrechnung (ab dem dritten Kind) soll ausdrücklich die Bereitschaft zur Aufnahme von Pflegekindern schützen.

Meldepflicht bleibt – Kürzung meist nicht

Auch wenn Pflegegeld in den meisten Konstellationen anrechnungsfrei ist, gilt die Meldepflicht gegenüber dem Jobcenter: Jede Änderung in den Verhältnissen muss angezeigt werden. Auch wenn das Pflegegeld nicht als Einkommen angerechnet wird, muss es dem Jobcenter lückenlos angezeigt werden.Dies verhindert auch Missverständnisse und unnötige Widersprüche.

Überblick zur Pflegegeld Anrechnung in Kurzform

Art der LeistungRechtsgrundlageWer erhält die ZahlungAnrechnung auf Bürgergeld?
Pflegegeld für häusliche Pflege§ 37 SGB XIPflegebedürftigerNein
Weitergeleitetes Pflegegeld an Angehörige§ 37 SGB XIPflegeperson AngehörigerNein
Pflegegeld für Pflegekinder – Aufwendungsersatz Unterhalt§ 39 SGB VIIIPflegeeltern für das KindNein
Pflegegeld für Pflegekinder – Erziehungsbeitrag§ 39 SGB VIIIPflegeelternJa eingeschränkt ab dem dritten Pflegekind 75 Prozent ab dem vierten 100 Prozent

Was heißt das konkret im Alltag?

  • Pflege der eigenen Person: Wer Bürgergeld erhält und Pflegegeld der Pflegekasse bekommt, muss keine Kürzung erwarten. Die Leistung ist zweckbestimmt.
  • Pflege eines Angehörigen: Wird Pflegegeld an den pflegenden Angehörigen weitergegeben, bleibt es bei diesem anrechnungsfrei.
  • Pflegekinder: Unterhalt/Sachkosten bleiben außen vor. Der Erziehungsbeitrag wird erst ab dem dritten Pflegekind (teilweise) angerechnet. Pflegeeltern sollten die Bescheide des Jugendamts und die Aufteilung in Unterhalt/Erziehungsbeitrag parat haben und dem Jobcenter vorlegen.