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Bürgergeld-Pauschale zu niedrig: Kassen klagen gegen den Bund

Gesundheitskarte der GKV, Euro Banknoten und Stethoskop

Die gesetzlichen Krankenkassen ziehen vor Gericht. Grund ist eine Finanzierungslücke bei der Krankenversicherung von Bürgergeld-Empfängern in Milliardenhöhe. Gezahlt wird eine Kopfpauschale – 2025 sind es 133,17 Euro pro Monat –, die die realen Ausgaben nicht deckt. Das Loch zahlen heute die Versicherten über ihre Beiträge. Der Staat kommt seiner Pflicht nicht ausreichend nach. Zuwanderung wirkt als Verstärker, weil die Zahl der Versicherten im Bürgergeld gestiegen ist. Folge: Die Lücke tragen bisher die übrigen rund 75 Millionen GKV-Versicherten über ihre Beiträge mit.

Worum es in der Klage geht

Der GKV-Spitzenverband wirft dem Bund vor, eine staatliche Aufgabe auf die Beitragszahler abzuwälzen. Es geht um die Gesundheitskosten von Menschen, die Bürgergeld beziehen und damit in aller Regel gesetzlich versichert sind. Nach jahrelangen Gesprächen ohne Ergebnis hat der Verwaltungsrat beschlossen, die Bundesrepublik Deutschland zu verklagen. Gefordert wird, dass der Staat die tatsächlichen Kosten übernimmt – nicht nur eine Pauschale, die weit darunter liegt. Laut Verband summiert sich die Unterdeckung inzwischen auf rund zehn Milliarden Euro pro Jahr. Hierzu heißt es in der Pressemitteilung vom 11.09.2025:

Klagegegenstand werden die im Herbst 2025 ergehenden Zuweisungsbescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) aus dem Gesundheitsfonds für das Jahr 2026 sein. Beklagte ist die Bundesrepublik Deutschland, die durch das BAS vertreten wird. Erstinstanzlich zuständig für die Verfahren ist das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (§ 29 Absatz 3 Nr. 1 SGG).

Bürgergeld schuld an steigenden Krankenkassen-Beiträgen?

Unterdeckung in Milliardenhöhe

Ein IGES-Gutachten bezifferte bereits für 2022 eine Lücke von 9,2 Milliarden Euro. Kostendeckend wären 311,45 Euro je Person und Monat gewesen, gezahlt wurden 108,48 Euro. Der Mechanismus ist schlicht: Solange die Pauschale weit unter den tatsächlichen Ausgaben liegt, vergrößert jede zusätzliche versicherte Person das Defizit. Die Deckungsquote lag 2022 bei nur 39 Prozent. Auch danach blieb die Lücke hoch – die Kassen nennen aktuell rund zehn Milliarden Euro jährlich.

Vergleichswert: Was freiwillig Versicherte zahlen

Ein Blick auf den Mindestbeitrag in der GKV macht die Unterfinanzierung greifbar. Wer freiwillig gesetzlich versichert ist und keinen Krankengeldanspruch hat, zahlt 2025 je nach Kasse rund 205 bis 206 Euro pro Monat – etwa 205,98 Euro als typischer Richtwert. Manche Kassen liegen mit ihrem Zusatzbeitrag geringfügig darunter, die TK nennt 205,35 Euro. Verglichen mit der Bundespauschale von 133,17 Euro klafft also bereits im einfachen Vergleich eine Lücke von gut 70 Euro pro Kopf und Monat. Das unterstreicht, wie weit der Staat unter dem realistischen Kostenniveau bleibt.

Beiträge unter Druck

Der allgemeine GKV-Beitragssatz liegt 2025 bei 14,6 Prozent. Der vom BMG festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitrag beträgt 2,5 Prozent – tatsächlich lag der von den Kassen erhobene Durchschnitt Ende Juni bei 2,92 Prozent. Der Vorstand der Techniker Krankenkasse warnte, ohne Reformen könne der Gesamtbeitrag bis Ende des Jahrzehnts auf 20 Prozent steigen.

Nach Darstellung der Kassen führt die Unterdeckung dazu, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag steigt oder stabil hoch bleibt. Wäre die Lücke geschlossen, könnten Beiträge um etwa 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen – so die Rechnung des Spitzenverbands.

So lange die Bundespauschale unter den tatsächlichen Kosten liegt, tragen Beschäftigte, Rentner und Arbeitgeber die finanzielle Last über ihre Kassenbeiträge.

Was der Staat derzeit zahlt

Die Pauschale ist gestiegen, bleibt aber klar unter Bedarf. 2024 lag sie bei 119,60 Euro, seit 2025 bei 133,17 Euro je Person und Monat. Verglichen mit den IGES-Kostenansätzen bleibt eine erhebliche Differenz.

KennzahlWert
Pauschale pro Person/ Monat 2024119,60 €
Pauschale pro Person/ Monat 2025133,17 €
Kostendeckende Pauschale 2022311,45 €
Unterdeckung gesamt 20229,2 Mrd. €
Aktuell behauptete Lücke10 Mrd. € p. a.

Krankenversicherung & Bürgergeld – Was zahlt das Jobcenter?

Wie viele Menschen sind betroffen

In der Grundsicherung lebten im August 2025 rund 5,6 Millionen Menschen in Bedarfsgemeinschaften. Davon waren gut 5,4 Millionen leistungsberechtigt, knapp 3,9 Millionen erwerbsfähig und rund 1,42 Millionen nicht erwerbsfähig (meist Kinder). Etwa zehn Prozent der Erwerbsfähigen sind Aufstocker in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung – für sie fällt keine eigene GKV-Pauschale an, weil die Absicherung über Beschäftigung bzw. Familienversicherung läuft. Entscheidend bleibt: Für mehrere Millionen Personen muss der Bund die Krankenversicherung über die Pauschale abdecken – das summiert sich.

Migration als Verstärker der Unterdeckung

Die Bundespauschale ist ein fester Betrag pro Kopf. Steigt die Zahl der Bürgergeld-Versicherten, wächst die Finanzierungslücke mit, solange die Pauschale zu niedrig bleibt. Zur Einordnung gehört deshalb die Kopfzahl durch Migration – als Verstärker, nicht als Ursache. Ausländer sind im Bürgergeld deutlich überrepräsentiert: Unter den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten lag der Anteil 2021 bei 38 %, 2022 bei 42 % und 2024 bei 47,4 %. In Bedarfsgemeinschaften mit Kindern stellten ausländische Familien im Juni 2023 die Mehrheit (61,5 %). In der Gesamtbevölkerung lag der Ausländeranteil Ende 2024 bei rund 14,8 %.

Der Ukraine-Zugang zum Bürgergeld zeigt die Dynamik: Mai 2022 waren 16.650 ukrainische Regelleistungsberechtigte erfasst. Mit dem Rechtskreiswechsel zum 1. Juni 2022 kam der Sprung – Juni 2022: 478.360, Juli 2022: 551.060. Bis April 2023 stieg der Bestand auf 712.350; 2024 pendelte er um 720.000, zuletzt Mai 2025: 687.580. Das erhöht die Personenzahl – darunter viele Kinder –, für die der Bund nur die niedrige Pauschale zahlt. Die Mehrkosten entstehen über die Köpfe, nicht wegen einer Herkunft.

Zur Größenordnung: Setzt man den Ausländeranteil 2022 (42 %) proportional zur damaligen 9,2-Mrd.-Lücke, entfallen rechnerisch rund 3,9 Mrd. Euro auf diese Gruppe. Bei 47,4 % (2024) und einer 10-Mrd.-Lücke ergäben sich ca. 4,7–4,8 Mrd. Euro. Für Ukrainer deuten 12–13 % grob 1,2–1,3 Mrd. Euro an. Dabei handelt es sich um Überschläge, keine amtlichen Kostenausweise.

Klar ist aber: Bürgergeld-Empfänger – Deutsche wie Ausländer – sind nicht die Verursacher der Kassenmisere. Der Staat setzt die Pauschale zu niedrig an und wälzt damit Kosten – auch infolge der Migrations- und Einwanderungspolitik – auf die Beitragsgemeinschaft ab, anstatt sie aus Steuermitteln zu finanzieren.

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Lücke politisch verursacht

Die Klage ist konsequent. Der Versicherungsschutz am Existenzminimum ist eine staatliche Aufgabe. Wird er aus Beiträgen finanziert, zahlen Geringverdiener überproportional mit, während Steuermittel – die auch hohe Einkommen erfassen – geschont werden. Fachlich sinnvoll ist ein Stufenplan mit jährlicher, transparenter Anhebung der Pauschale auf ein kostennahes Niveau – plus regelmäßiger, datenbasierter Überprüfung. Einsparfantasien über Druck und Sanktionen beim Bürgergeld lösen das Finanzierungsproblem der Gesundheitskosten dagegen nicht.

Klares Fazit: Die Finanzierung der Gesundheitsausgaben für Bürgergeld-Empfänger ist staatliche Pflicht. Die Lücke darf nicht auf dem Rücken der Leistungsempfänger oder Versicherten ausgetragen werden – genau das kritisieren die Kassen mit ihrer 10-Milliarden-Klage.