Zum Inhalt springen

Bürgergeld & Mietschulden: Jobcenter verweigert Hilfe

Sachbearbeiter streckt Hand mit erhobenem Zeigefinger nach vorn – Symbol für Ablehnung oder verweigerte Hilfe durch das Jobcenter bei Bürgergeld und Mietschulden.

Damit das Jobcenter Bürgergeld-Bedürftigen bei Mietschulden hilft, sind nur wenige Ausnahmen vorgesehen – insbesondere, wenn die Wohnung als nicht angemessen eingestuft wurde. Unmöglich ist es nicht, aber schwierig. Diese Erfahrung musste eine Familie machen, die mehrere tausend Euro Mietrückstand angehäuft hatte. Der juristische Versuch, das Ruder doch noch herumzureißen, scheiterte vor allem an der nicht erkennbaren Bereitschaft, an der Lösung des Problems mitzuwirken – nicht an der Unangemessenheit der Wohnung selbst.

Über 8.000 Euro Mietschulden

Eine Familie mit zwei Kindern bezog Bürgergeld und hatte Mietschulden für ihre 90 m² große Wohnung angehäuft. Die Miete inkl. Heizkosten betrug 1.371,44 Euro – mehr als 300 Euro über der Angemessenheitsgrenze des Jobcenters. Die Frau arbeitete und kam dadurch auf einen monatlichen Einkommensfreibetrag von 378 Euro. Wegen der Mietrückstände von inzwischen 8.316,33 Euro klagte der Vermieter erfolgreich auf Räumung, bot aber an, das Mietverhältnis fortzusetzen, wenn die Mietschulden beglichen würden.

Bürgergeld Mietobergrenzen – So hoch darf die Miete 2025 sein

Jobcenter lehnt Darlehen ab

Daher beantragten die Bürgergeld-Empfänger beim Jobcenter, die Mietschulden als Darlehen zu übernehmen. Das Amt lehnte jedoch ab und auch das Bezirksamt Soziale Wohnungshilfe sprach sich gegen ein solches Darlehen aus – was eher ungewöhnlich ist. Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung damit begründet, dass die Familie keinen Nachweis erbracht hatte, wie sie künftig für die Miete aufkommen will.

Der Fall landete zunächst beim Sozialgericht Berlin (S 128 AS 2711/23 ER). Dort verpflichtete man das Jobcenter, ein Darlehen zu gewähren. Man verwies auf gesundheitliche Einschränkungen und machte deutlich, dass vor allem die Kinder leiden müssten. Ihnen drohe während des Schuljahres der Verlust des Wohnumfeldes. Daher sah man eine Ausnahme. Dagegen wehrte sich das Jobcenter, unter anderem mit Hinweis auf die Unangemessenheit der Wohnung – mit Erfolg.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 31 AS 627/23 B ER) betonte von Anfang an, dass eine Übernahme von Mietschulden nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Wohnung innerhalb der Angemessenheitsgrenze liege. Das Jobcenter zahle für einen Vier-Personen-Haushalt 713,70 Euro Bruttokaltmiete plus Heizkosten, im konkreten Fall 346,24 Euro, die als angemessen gelten. Das ergibt einen Betrag von 1.059,94 Euro. 311,50 Euro weniger als die tatsächliche Miete, die zudem um 50 Euro erhöht werden sollte. „Dies bedeutet, dass die Angemessenheitsgrenze um rund ein Drittel überschritten wird. Dies kann nicht als geringfügig angesehen werden“, so die Richter. Auch wenn man auf die Maßgaben für das Wohngeld zurückgreife – hier 1.171,24 Euro – betrage die Differenz 200,20 Euro oder 17 Prozent. Das sei ebenfalls nicht geringfügig.

Keine positive Prognose

Die Frage, ob die Wohnung erhaltenswert sei und damit ein Darlehen infrage käme, richte sich daher vor allem nach der Prognose, ob die Bürgergeld Bedürftigen den vorhandenen Freibetrag beim Einkommen auch tatsächlich nutzten, um die Mietdifferenz zu tragen. Bislang hätten sich die Antragsteller „in keiner Weise bemüht, etwas zum Erhalt der Wohnung beizutragen“ oder mit dem Vermieter eine Tilgung zu vereinbaren. Das LSG warf den Bürgergeld Bedürftigen zudem vor, sich nicht um eine günstigere Wohnung bemüht zu haben.

Denn: Bei intensiver Suche nach einer Wohnung ohne Erfolg müsste das Jobcenter, so die Richter, einen Zuschlag auf den Mietrichtwert zahlen, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Ein solches Bemühen sei allerdings nicht zu erkennen – auch nicht hinsichtlich der schon bestehenden Schulden beim Jobcenter. „Das Verhalten der Antragsteller im Zusammenhang mit der Entstehung der Mietschulden ist nicht verständlich, weil die nun eingetretene Situation durchaus hätte vermieden werden können.“

Kurzum: Das Landesgericht glaubt nicht daran, dass die Familie die Wohnung langfristig selbst finanzieren und damit sichern kann, wodurch ein Darlehen gerechtfertigt wäre. Oder anders ausgedrückt: Das Jobcenter muss kein Darlehen gewähren, weil es eher unwahrscheinlich ist, dass die Familie den Freibetrag in die höhere Miete investiert.

Miete: Jobcenter zahlt systematisch 116 € zu wenig

Schulwechsel keine Rechtfertigung

Die Hinweise auf den drohenden Schulwechsel und die gesundheitlichen Probleme hat das Landessozialgericht übrigens in der Luft zerrissen. Auch andere Kinder müssten während des Schuljahres die Schule wechseln, etwa aufgrund eines Jobwechsels der Eltern oder eines Umzugs. Und gesundheitliche Probleme würden durch medizinische Behandlungen und nicht durch Sozialleistungen gelöst.

Auch das Argument der drohenden Obdachlosigkeit und der damit einhergehenden Folgekosten ließen die Richter nicht gelten. Es liege „neben der Sache“ und wäre ein willkürlicher Eingriff in „das vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsprogramm“. Das Gericht fälle Urteile anhand von Tatbestandsvoraussetzungen und nicht, weil sie sich als wirtschaftlich sinnvoll erwiesen.

Wegweisendes Urteil

Zwar konnte die Familie in diesem Fall keinen Erfolg erzielen, weil das Landessozialgericht von einer negativen Prognose ausgeht. Allerdings ist das Urteil dahingehend wegweisend, dass bei einer positiven Prognose für die Zukunft, das Jobcenter auch Mietschulden als Darlehen für eine unangemessene Wohnung übernehmen müsste.

Eine positive Prognose liegt dann vor, wenn der Differenzbetrag der tatsächlichen Miete und den angemessenen Kosten aus dem Erwerbstätigenfreibetrag genutzt werden kann und auch nachweislich dafür eingesetzt wird.