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Gelber Schein nach Kündigung: Arbeitnehmer aufgepasst bei Krankmeldung

Arbeitgeber zerreisst Krankmeldung des Arbeitnehmers, symbolisch für Zweifel

Bislang galten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) und ärztliche Atteste als praktisch unantastbar – zumindest im Hinblick auf die Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Wer krank wird, soll sich nicht auch noch um seine Existenz sorgen müssen. Wenn nun aber die Krankmeldung genau auf den Tag der Kündigung fällt und exakt bis zum Ende des ASrbeitsvertrages ausgestellt wird, sind Zweifel durchaus angebracht. Der Beweiswert der AU ist damit erschüttert – so das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Kündigung nach Krankmeldung

Dem Urteil liegt ein Fall aus dem Jahr 2022 zugrunde. Ein Zeitarbeiter meldete sich aufgrund einer Infektion am 2. Mai 2022 krank. Der Gelbe Schein galt bis zum 6. Mai. Da der Mitarbeiter ohnehin nicht mehr eingesetzt wurde, kündigte das Unternehmen dem Arbeitnehmer fristgerecht. Der Mann reichte am 6. Mai ein weiteres Attest ein und am 20. Mai noch ein drittes, das ihm eine stressbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Mai bescheinigte. Ab dem 1. Juni war der Kläger wieder arbeitsfähig und trat eine neue Stelle an.

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Beweiswert erschüttert

Weil die Folgeatteste augenscheinlich genau auf die Dauer der Kündigungsfrist zugeschnitten waren, lehnte die Firma die Lohnfortzahlung ab. Grund: Das Unternehmen glaubte nicht, dass der ehemalige Mitarbeiter noch krank ist und sah die Beweislast der Krankmeldung als erschüttert an. Der Kläger wiederum behauptete, schon vor der Kündigung krank gewesen zu sein. Sowohl das Arbeitsgericht (2 Ca 190/22) als auch das Landesarbeitsgericht (8 Sa 859/22) folgten der Argumentation des Klägers. Das BAG wiederum teilte die Zweifel des Arbeitgebers.

BAG: Gesamtbild entscheidet

Laut Bundesarbeitsgericht besteht die Möglichkeit, dass die Beweiskraft der AU bei berechtigten Zweifeln und einer Gesamtbetrachtung der Umstände durch den Arbeitgeber erschüttert wird. Für den vorliegenden Fall gelte dies für den Zeitraum vom 7. bis zum 31. Mai 2022. Entscheidend dabei sei nicht, ob der Mitarbeiter oder das Unternehmen die Kündigung ausspricht, sondern eine „einzelfallbezogene Würdigung der Gesamtumstände“ (5 AZR 137/23).

Koinzidenz von Attest und Kündigung

Der Beweiswert der Krankmeldung vom 2. Mai 2022 sei nicht erschüttert, da der Mitarbeiter zu dem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der Kündigung hatte. Anders verhalte es sich bei den beiden Folgeattesten. Hier bestehe eine Koinzidenz zwischen der passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und der Kündigungsfrist sowie der Tatsache, dass der Kläger im Anschluss direkt eine neue Arbeit aufgenommen hat. Dies sei vom Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt worden.

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Beweislast liegt nun beim Arbeitnehmer

Das heiße jedoch nicht, dass der ehemalige Zeitarbeiter keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung habe. Allerdings liege die „volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit“ jetzt beim Kläger. Oder anders ausgedrückt: Der Ex-Mitarbeiter ist in der Pflicht, darzulegen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war – etwa durch ärztliche Befunde, indem der Arzt als Zeuge für ihn aussagt oder aber er die Krankheitsumstände näher erläutert. Der Fall geht zurück an das Landesarbeitsgericht.

Arbeitsrechtler werten das Urteil nicht in dem Sinn, dass die Entgeltfortzahlungsrechte gefährdet wären. Sie gehen vielmehr davon aus, dass Unternehmen Atteste, die im Kontext einer Kündigung eingereicht werden, näher unter die Lupe nehmen.