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Realitätsfern: Absurder Sparzwang beim Bürgergeld

Mann hält ungläubig einen kleinen Münzstapel zwischen Daumen und Zeigefinger

2,08 Euro im Monat für eine Waschmaschine? Wer die Zahlen des Bürgergeld-Regelsatzes betrachtet, gewinnt schnell den Eindruck, dass das gesamte Zahlenwerk völlig willkürlich erscheint. Offiziell beteuert die Politik, die Werte seien keineswegs „gewürfelt“ – doch die lächerlich geringen Beträge sind oftmals so realitätsfern, dass sie Bedürftige dazu zwingen, ihre Sparschweine jahrelang zu füttern, bis die Ansparungen auch nur für ein gebrauchtes Gerät reichen. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit haben auch schon Gerichte in ihren Entscheidungen kritisiert.

Realer Irrsinn: 2,08 € für die Waschmaschine

Ein Beispiel: die sogenannte weiße Ware. Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Waschmaschine, Trockner und Geschirrspüler sind bereits im Bürgergeld-Regelsatz „eingerechnet“. Maßgeblich dafür, welche Beträge überhaupt berücksichtigt werden, ist das RBEG oder Regelbedarfsermittlungsgesetz. Die Berechnungen basieren auf der Preisentwicklung der regelbedarfsrelevanten Güter sowie Einkommens- und Verbrauchsstichproben. Um ein realistisches Bild zeichnen zu können, werden hierbei nur die einkommensschwächsten 15 Prozent der Einpersonen- und die untersten 20 Prozent bei Familienhaushalten berücksichtigt.

Wie fair ist der Bürgergeld-Regelsatz berechnet?

Das Ergebnis im Jahr 2025 für Kühlschrank und Gefriertruhe: Monatlich sieht der Bürgergeld Regelbedarf für beide Geräte bei einem alleinstehenden Erwachsenen gerade einmal 2,14 Euro vor. Waschmaschine, Trockner und Geschirrspüler kommen – in Summe! – auf 2,08 Euro im Monat. Wobei man davon ausgehen kann, dass im Sinne des Bürgergeldes Haushaltsgeräte wie ein Wäschetrockner oder ein Geschirrspüler eher zum unnötigen Luxus zählen.

Armutsfalle: Acht Jahre sparen und hohe Stromkosten

Würde man das Geld für die Waschmaschine in besagtes Sparschwein stecken, summierten sich in einem Jahr 24,96 Euro. Kauft man ein altes, gebrauchtes und gleichzeitig stromfressendes Gerät für 100 Euro, müsste man bereits vier Jahre lang Monat für Monat 2,08 Euro ansparen. Bei einem Neugerät, sehr günstige Modelle sind ab etwa 200 Euro zu haben, müsste man schon acht Jahre lang Geld konsequent zur Seite legen. So lange kann niemand auf eine neue Waschmaschine warten, wenn die alte den Geist aufgibt.

Keine Beachtung finden hierbei die hohen Stromkosten für Kühlschrank, Waschmaschine und Co. Qualitativ minderwertige Geräte sind dabei zwar günstiger in der Anschaffung, kosten allerdings auf Dauer mehr Strom. Die Stromkosten werden jedoch bei der Ermittlung des Regelbedarfs weiterhin unzureichend angesetzt. Bürgergeld Bedürftige geraten auf diese Weise in eine staatlich geförderte Armutsspirale, aus der es sich nur schwer entfliehen lässt.

Auswertung offenbart Minus: Bürgergeld reicht nicht für Strom

Jobcenter-Absage kassiert: Auch Gerichte kritisieren die Berechnung

Vor genau diesem Problem stand ein Leistungsempfänger. Der Vermieter hatte ihm das Geld für eine neue Waschmaschine vorgestreckt und erwartete die Rückzahlung innerhalb eines Monats. Der Bürgergeld-Bedürftige bat deshalb das Jobcenter um einen Zuschuss, erhielt jedoch eine Absage. Dafür gab es einen Rüffel vom Gericht (Az. S 35 AS 35/22).

Die Richterin des SG Kiel betonte, es bestehe ein Mehrbedarf aufgrund eines unabweisbaren, besonderen Bedarfs und weil ein Darlehen unzumutbar sei. Gleichzeitig erklärte sie, das Jobcenter könne den Bürgergeld Bedürftigen nicht darauf verweisen, den Kauf durch Ansparen zu finanzieren. Entscheidend aber: Die Datengrundlage für die Berechnung existenzsichernder Leistungen sei nicht hinreichend aussagekräftig. Schon das Bundesverfassungsgericht habe bei Konsumgütern, die nicht regelmäßig neu angeschafft werden, auf die Gefahr einer Unterdeckung hingewiesen (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13).

Schulden-Falle: Mit dem Darlehen unter das Existenzminimum

Selbst wenn das Jobcenter ein Darlehen gewährt – welches darüber hinaus hohe Hürden hat und vom Ermessen des Leistungsträgeres abhängig ist – damit man eine neue oder gebrauchte Waschmaschine kaufen kann: Für die Rückzahlung des Darlehens werden monatlich fünf Prozent des Regelsatzes aller volljährigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einbehalten. Bei einem Single sind das schon 28,15 Euro monatlich (ausgehend von 563 Euro Regelbedarf). Allein das sind schon 26,07 Euro mehr im Monat als im Regelbedarf für die Waschmaschine vorgesehen ist. Bei einem 200-Euro-Gerät dauert die Rückzahlung des Darlehens über sieben Monate.

Eine lange Zeit, in der man sich stark einschränken und – was viele übersehen – mit einem Betrag unterhalb des Existenzminimums auskommen muss. Wenn dann auch noch der Kühlschrank den Geist aufgibt – prost Mahlzeit.