Arbeiten zu gehen und dennoch auf Bürgergeld angewiesen zu sein, ist schon unangenehm genug. Sich dann auch noch mit dem Jobcenter herumärgern zu müssen, eine echte Belastung. Vor allem, wenn das Amt sich nicht an Spielregeln hält und erst vom Bundessozialgericht in die Schranken gewiesen werden muss. Etwa, wenn sich das Jobcenter nicht einmal die Mühe macht, einen Bescheid als vorläufig zu kennzeichnen. Denn: Fehlt dieser Hinweis, ist der Bescheid endgültig.
Bürgergeld für Aufstocker: Das Prinzip der Vorläufigkeit
Reicht das eigene Einkommen für den Lebensunterhalt nicht aus, müssen viele Haushalte trotz Arbeit mit Bürgergeld aufstocken. Das betrifft knapp ein Drittel aller Bürgergeld Bedürftigen – und ist damit ein K.O.-Argument gegen alle, die Betroffene grundsätzlich als faul bezeichnen. Das Problem dabei: Schwanken die Einnahmen, etwa aufgrund von Schichtarbeit oder Arbeit auf Abruf, ändert sich auch die Höhe des Bürgergeld-Anspruchs. Die Jobcenter stellt dann einen vorläufigen Bescheid aus (§ 41a SGB II).
Bürgergeld trotz Arbeit – mehr als 825.000 auf Jobcenter angewiesen
In dem Fall, der schließlich vor dem Bundessozialgericht (B 4 AS 10/20 R) landete, ging es um eine Bürgergeld-Bedürftige, die auf Abruf arbeitete und ihr geringes Einkommen aufstocken musste. Um den Bedarf für ergänzende Leistungen zu ermitteln, nutzte das Jobcenter die vorliegenden Verdienstbescheinigungen und stellte einen Bürgergeld-Bescheid aus. Entscheidend dabei: Es fehlte der Hinweis, dass es sich um einen vorläufigen Bescheid handelt.
Nachträglich höheres Einkommen führt zur Rückforderung
Denn ein paar Monate später verlangte das Jobcenter von der Frau 761,81 Euro zurück, weil sie mehr verdient hatte, als ursprünglich vom Amt veranschlagt worden war. Gegen die teilweise Rücknahme der Leistungsbewilligung legte die Frau Widerspruch ein, scheiterte aber zunächst und zog dann vor Gericht.
Finale Entscheidung des BSG: Bescheid war rechtswidrig
Es brauchte drei Instanzen, um dem Jobcenter seine Arbeit zu erklären. Das Bundessozialgericht betonte, dass die Bescheide mangels Vorläufigkeitsvorbehalt endgültige Bewilligungen darstellten. Konkret heißt es im Urteil: „Es lässt sich den Formulierungen in den Bescheiden weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen, dass die Bewilligungen unter dem Vorbehalt ihrer Vorläufigkeit stehen sollten.“ Mehr noch: In Fällen einer prospektiven (vorausschauenden) Schätzung hinsichtlich der Einkommenssituation sei der Erlass eines endgültigen Bescheides „von Anfang an rechtswidrig“.


