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BSG: Jobcenter darf Bürgergeld-Rückforderung nicht verrechnen

Mann zählt 50-Euro-Scheine – Symbolbild für Bürgergeld-Nachzahlung und Rückforderung

Das Jobcenter darf Bürgergeld-Rückforderungen und Nachzahlungen nicht einfach in einen Topf werfen und saldieren. Für Rückforderungen gelten generell strengere Regeln als für Nachzahlungen, betonte das Bundessozialgericht. Daher muss das Jobcenter Monat für Monat vorgehen und prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Rückforderung gegeben sind. Dieses Urteil hat besondere Bedeutung für Menschen mit aufstockenden Bürgergeld-Leistungen, deren Einkommen und damit auch der Leistungsanspruch häufiger schwankt.

Schwankende Einnahmen

Der Fall, über den das Bundessozialgericht entschied, liegt im Ursprung inzwischen ein paar Jahre zurück. Das Jobcenter bewilligte einer Familie aus Sachsen-Anhalt vorläufige Bürgergeld-Leistungen für den Zeitraum von April bis September. Die Vorläufigkeit des Bescheids beruhte auf Aussagen der Hilfebedürftigen, dass sich die Einkünfte vorübergehend ändern würden – tatsächlich schwankten diese zwischen 1.143 Euro und 1.465 Euro im Monat.

Bürgergeld-Bescheid nicht eindeutig – BSG streicht Forderung des Jobcenters

Endgültig festgelegt wurden die Jobcenter-Leistungen im Widerspruchsverfahren, nachdem alle Einkommensnachweise vorgelegt wurden. Ausgehend vom Einkommen und zwei Einmalzahlungen sah das Jobcenter für April keinen Leistungsanspruch. Für die übrigen Monate des Bewilligungszeitraums wurden die Leistungen ohne Bildung eines monatlichen Durchschnittseinkommens berechnet und die Nachzahlung an die Hilfebedürftigen überwiesen.

Jobcenter verrechnet Monatsbeträge

Die Familie klagte gegen das Vorgehen des Jobcenters, insbesondere hinsichtlich der Anrechnung der Einmalzahlungen. Es folgte ein Änderungsbescheid im Klageverfahren, bei dem das monatliche Durchschnittseinkommen berücksichtigt wurde. Ergebnis: Für April und Mai ergab sich ein höherer Leistungsanspruch und für die übrigen Monate ein geringerer. Die entsprechenden Monatsbeträge wurden vom Jobcenter miteinander verrechnet und der noch ausstehende Betrag ausgezahlt.

Dagegen wehrte sich die Familie. Eine Änderung der endgültigen Leistungsfestsetzung sei nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 und 48 SGB X möglich. Diese Paragrafen regeln, wann ein Verwaltungsakt zurückgenommen beziehungsweise aufgehoben werden kann. Das ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Überdies, so die Kläger, gelte die Saldierungsvorschrift (§ 41a SGB II) nicht bei der Korrektur einer bereits endgültigen Entscheidung.

Monatliche Leistungsprüfung

Sowohl das Sozialgericht Halle (S 21 AS 1950/17) als auch – in der Berufung – das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 2 AS 692/20) wiesen die Klage ab und bestätigten das Vorgehen des Jobcenters. In der Revision beanstandete das Bundessozialgericht jedoch, dass von den Vorinstanzen nicht geklärt worden sei, ob die Voraussetzungen nach § 45 SGB X für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes gegeben war. Grundsätzlich müsse, und das ist die maßgebliche Aussage des Bundessozialgerichts (B 4 AS 6/22 R), monatsweise geklärt werden, ob § 44 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes) oder § 45 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes) als Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer abschließenden Festsetzung heranzuziehen sei. Auch § 41a SGB II in seiner alten Fassung gehe von einer Feststellung des monatlichen Leistungsanspruchs aus.

Für den vorliegenden Fall heißt das: Lediglich für die Monate April und Mai sei die Rücknahme statthaft gewesen. Für die beiden anderen Monate, in denen zu hohe Leistungsansprüche zuerkannt wurden, gelte hingegen: Die Korrektur müsse an § 45 SGB X gemessen werden.