Es ist die alte Leier, auf der offenbar viele Jobcenter-Mitarbeiter herumreiten: Arbeit lohnt sich nicht mehr, seit das Bürgergeld eingeführt wurde. Lieber Stütze statt Maloche. Daten und Fakten, die einen solchen Bürgergeld Missbrauch und die Faulheit Betroffener belegen, sucht man vergebens. Auch die vielen Kündigungen, um vom Amt leben zu können, hat es laut Bundesagentur für Arbeit (BA) nie gegeben. Trotzdem sind die Mitarbeiter der festen Überzeugung, dass Bürgergeld Bedürftige einfach nur faul sind.
Studie zum Bürgergeld
Dass viele Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter Betroffenen genau dieses Gefühl vermitteln, sie von oben herab und rechtlich fragwürdig behandeln: Das ist hinlänglich bekannt. Diese Erfahrung mussten schon viele machen. Jetzt sprechen die Mitarbeiter der Jobcenter offen – oder vielmehr versteckt hinter einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur BA gehört – aus, was sie vom Bürgergeld und jenen halten, denen sie helfen sollen.
Mit der Grundsicherung kommt der Vermittlungsvorrang zurück
Arbeit lohnt sich nicht
Laut Studie, über die von der Berliner Zeitung und der BILD berichtet wird, sagen 72 Prozent der Mitarbeiter, dass sich Arbeit aufgrund des Bürgergelds nicht rechne. Zum Vergleich: In den Reihen der Erwerbstätigen liegt die Quote „nur“ bei 70 Prozent. Dabei gibt es inzwischen zig Berechnungen, die das Gegenteil belegen – zumal bei geringem Gehalt andere Hilfen in Anspruch genommen werden können, wie etwa das Wohngeld. Traurig daran: Selbst unter den Bürgergeld Bedürftigen sind 40 Prozent überzeugt, mit der Grundsicherung besser zu fahren als mit Arbeit.
Falsche Anreize gesetzt
Kein Wunder also, dass seitens der Mitarbeiter in den Jobcentern 62 Prozent davon ausgehen, dass mit dem Bürgergeld Missbrauch betrieben wird. In dem Sinne, dass man sich lieber die Sonne auf den Pelz brennen lässt, statt einer Arbeit nachzugehen. Dementsprechend glauben auch nur 30 Prozent der Erwerbstätigen und 28 Prozent der Jobcenter-Mitarbeiter, dass sich Betroffene überhaupt ernsthaft um einen Job bemühen. Ein Kernproblem, laut Sachbearbeitern: Der Kooperationsplan, der viel zu unverbindlich sei. Auch durch die Karenzzeit und das höhere Schonvermögen seien falsche Anreize gesetzt worden, sodass Betroffene viel zu lange Bürgergeld beziehen.
Wie Fähnchen im Wind
Anscheinend hat sich binnen kürzester Zeit eine Trendwende vollzogen. Noch zur Einführung des Bürgergelds wurde auf der Seite der Servicestelle SGB II, einem Service des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die „Augenhöhe“ gefeiert. Endlich könne man gezielt beraten, mehr auf die Bedürfnisse der Bürgergeldempfänger eingehen. Es wurde über Gesprächskreise, Kurse und den regen Austausch der Jobcenter berichtet. Das soll jetzt alles hinfällig sein?
Regierung hält Bürgergeld Bezieher für faul
Möglichkeiten nie ausgeschöpft
Plötzlich sind Betroffene faul, wollen nicht arbeiten und missbrauchen den Staat. Da dreht man sich wie das Fähnchen im Wind und ist wieder auf einer Linie mit der neuen Regierung und der massiven Unions-Kritik am Bürgergeld. Vorher kroch man Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in den Allerwertesten, jetzt den neuen Machern. Für Betroffene brechen dadurch noch härtere Zeiten an, weil wenige Totalverweigerer das System vergiften. Dort gilt es anzusetzen und die vorhandene Klaviatur endlich auch zu nutzen. Die gab es schon zu Zeiten des Bürgergelds. Man war wohl nur zu faul, die entsprechenden Mittel auch aus der Schublade zu holen.