„Dann geh’ doch arbeiten …“, lautet eines der Stereotype, wenn auf die Probleme von Bürgergeld Bedürftigen aufmerksam gemacht wird. Es ist die alte Leier, bei der sich Kritiker auf der Logik ausruhen, dass offene Stellen gleichbedeutend sein müssten mit weniger Betroffenen. Daran ist nichts falsch. Nur sollte man alle Zahlen und deren Entwicklung auf den Tisch legen. Dann wird deutlich, dass die Bürgergeld-Falle auch denen droht, die sich jetzt als fleißiger Steuerzahler in Sicherheit wiegen.
Zahlen und Daten
Lässt man völlig außen vor, dass nicht jeder für jeden Job geeignet ist, es in der Provinz weit weniger Offerten gibt als in Großstädten und die meisten bedingt durch den Familienanhang nicht quer durch die Republik reisen können, sind es die Zahlen, die alle Schreihälse Lügen strafen. Es sind keine Fantasie-Werte zum Bürgergeld, die zur Debatte stehen, sondern Daten von der Bundesagentur für Arbeit und deren Forschungseinrichtung, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Näher beleuchtet hat diese Zahlen Maurice Höfgen vom YouTube-Kanal „Geld für die Welt“.
Bürgergeld trotz Job: Mindestlohn schlicht zu niedrig
Mehr als 600.000 neue Betroffene
Er stellt die Zahl 600.000 – so über den Daumen, plus minus ein paar hundert – in den Raum und nennt sie einen Skandal, über den gesprochen werden sollte. Um auf diesen Wert zu kommen, muss man ein wenig graben und sich näher mit den Statistiken zum Bürgergeld und der Erhebung offener Stellen befassen.
Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
So lag die Zahl der Arbeitslosen im August 2024 bei 2.871.910. Im Mai 2022, als sich die Werte wieder ein wenig beruhigt hatten, waren es „nur“ 2.259.650. Die Differenz: 612.260 Menschen – sie haben im Zeitfenster von Mai 2022 bis August 2024 ihren Job verloren. Hinzu kommen all jene, die in der Statistik für Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) geführt werden. Das sind Menschen, die nicht als arbeitslos erfasst werden, weil sie etwa krank sind oder an einer Maßnahme zur Arbeitsförderung teilnehmen. Deren Zahl stieg im gleichen Zeitfenster von 3.014.480 auf 3.616.870 – plus 602.390.
So sieht es aktuell aus: Stand April 2025 lag die Zahl der Arbeitslosen bei 2.932.000 – das sind 60.090 mehr als im August 2024. Die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit) stieg im selben Zeitraum von 3.616.870 auf 3.638.000 – ein Plus von 21.130. Der Trend zeigt also weiter leicht nach oben. (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Arbeitsmarktbericht April 2025)
Wie ist das mit den offenen Stellen?
Es sind inzwischen also weit mehr Menschen auf das Bürgergeld oder andere Leistungen vom Staat angewiesen. Sie werden alle pauschal als faul abgestempelt und in eine Ecke mit den wenigen Totalverweigerern gestellt. Schließlich sind so viele Stellen offen, dass man sich nur an die Straße stellen, winken und den Vertrag unterschreiben muss.
Weniger Jobs als gedacht
Dem widerspricht die wirtschaftliche Entwicklung. Die zeigt seit geraumer Zeit in den Keller. Das macht sich auch bei der Zahl offener Stellen bemerkbar. Ganz so rosig, wie am Stammtisch behauptet, ist es eben nicht. Das IAB listet für das vierte Quartal 2024 1,40 Millionen offene Stellen, von denen rund 1,15 Millionen sofort besetzt werden können. Im vierten Quartal 2022 waren es noch 1,99 Millionen offene und 1,64 Millionen sofort zu besetzende Stellen.
Falsche Strategie
Der Negativtrend bei den offenen Stellen und die steigende Zahl Arbeitssuchender lässt nur einen Schluss zu: Die Gefahr, selbst auf Bürgergeld angewiesen zu sein, wird immer größer. Die Chance, sich aus den Armen des Jobcenters zu befreien, sinkt indes mit der Zahl offener Stellen. Und wie reagiert die Politik: Sie macht Bürgergeld-Empfängern das Leben noch schwerer, mit mehr Druck und zwei Nullrunden in 2025 und 2026. Gleichzeitig bietet sie als Zuckerbrot einen Bonus für Langzeitarbeitslose, die einen Job finden. Klingt nicht nach einer durchdachten Strategie, die Wirtschaft wiederzubeleben.