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Studie belegt: 1.200 Euro Grundeinkommen macht zufriedener, aber nicht fauler

Hände zählen Geldscheine, symbolisch für Grundeinkommen

Eine Studie liefert handfeste Ergebnisse zur Debatte um das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE): Zwischen Juni 2021 und Mai 2024 erhielten 122 zufällig ausgeloste Erwachsene in Deutschland monatlich 1.200 Euro ohne Bedingungen. Die Abschlussbefunde wurden dieses Jahr veröffentlicht: Das Grundeinkommen erhöhte Lebenszufriedenheit und verbesserte die mentale Gesundheit – ohne dass sich Teilnehmer in großer Zahl aus der Erwerbsarbeit zurückzogen.

Die Debatte verlässt damit die reine Theorie. Nächster Praxisschritt könnte ein städtisches Reallabor werden: In Hamburg entscheidet ein Volksentscheid am 12. Oktober 2025 über ein staatlich finanziertes Modellprojekt mit 2.000 Personen.

Bürgergeld: Bedingungsloses Einkommen durch die Hintertür?

Das 3-jährige Experiment: Design und Teilnehmer

Das Feldexperiment lief von Juni 2021 bis Mai 2024. 122 zufällig ausgeloste Erwachsene aus ganz Deutschland erhielten monatlich 1.200 Euro – bedingungslos und zusätzlich zum Einkommen. Die Vergleichsgruppe, bestehend aus 1.580 Personen, erhielt kein Geld. Aus mehr als zwei Millionen Bewerbungen wurden Teilnehmer im Alter von 21 bis 40 Jahren mit mittleren Einkommen ausgewählt. Eine begleitende Kontrollgruppe erhielt keine Zahlungen. Träger war der Verein „Mein Grundeinkommen“, die Finanzierung erfolgte über Spenden, die wissenschaftliche Auswertung übernahm das DIW Berlin.

Die zentralen Befunde: Weniger Stress, keine Faulheit

Von einem Rückzug aus dem Arbeitsleben kann keine Rede sein. Die Teilnehmer gaben ihre Jobs nicht auf, vereinzelt wurden Nebenjobs oder Arbeitsstunden angepasst, weil der finanzielle Druck sank. Gleichzeitig berichten sie von spürbar mehr Lebenszufriedenheit, weniger Stress und einer besseren mentalen Gesundheit. Die 1.200 Euro wurden häufig zur Seite gelegt, außerdem für Alltagsausgaben, Weiterbildung oder persönliche Projekte genutzt. Das verbreitete Bild einer „sozialen Hängematte“ findet in den Ergebnissen keine Bestätigung.

Wissenschaftliche Einordnung: Was die Studie nicht klärt

Die Untersuchungsgruppe ist klein und nicht repräsentativ: 122 Personen mit engeren Alters- und Einkommenskriterien erlauben keine direkten Rückschlüsse auf die Gesamtbevölkerung. Auch beantwortet die Studie nicht, wie ein bundesweites Grundeinkommen solide finanziert und skaliert werden könnte. Das IW Köln mahnt zudem zwei Punkte an: Zum einen könnten sich Verhaltensweisen der ausgelosten „Gewinner“ eines Lotterieverfahrens von klassischen Sozialleistungsbeziehern unterscheiden; zum anderen stehe ein bedingungsloses Modell im Spannungsfeld des deutschen Prinzips von Leistung und Gegenleistung. Als Gegenfolie verweist das IW auf größere US-Ergebnisse, die teils geringere oder sogar unerwünschte Effekte zeigen. Gleichwohl liefert das deutsche Experiment belastbare Hinweise darauf, wie ein regelmäßiges bedingungsloses Einkommen im Alltag wirkt – mit allen genannten Grenzen.

Hamburg stimmt ab

Unter dem Titel „Hamburg testet Grundeinkommen“ soll ein dreijähriges, staatlich finanziertes Modellprojekt mit 2.000 zufällig ausgewählten Einwohnern starten. Die Zahlungen wären bedingungslos im Sinne von: ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistungspflichten, die Auszahlung wird jedoch mit eigenem Einkommen verrechnet. Das bedeutet: Es ist eine Art „aufgestocktes Teil-Grundeinkommen“, das bei Geringverdienern am höchsten ausfällt und bei hohen Einkommen sinkt.

Es wäre der erste Versuch dieser Art in Deutschland, der direkt durch einen Volksentscheid legitimiert ist. Befürworter sprechen von einem notwendigen Real-Test, Kritiker warnen vor Kosten- und Designsrisiken. Das Ergebnis dürfte bundesweit Signalwirkung entfalten.

Der Weg zum Volksentscheid

Ein erster Anlauf scheiterte 2023 vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht: Das damals eingereichte Volksbegehren „Hamburg soll Grundeinkommen testen!“ wurde als unzulässig bewertet. Nun liegt eine überarbeitete Fassung vor, über die am 12. Oktober 2025 per Volksentscheid abgestimmt wird.

Grundeinkommen als Bürgergeld-Ersatz – Verfassungsgericht lehnt ab

Eckdaten des Hamburger Modellversuchs

Worum es konkret geht, fasst der Gesetzentwurf so zusammen:

  • Vorgesehen ist ein dreijähriger Versuch mit 2.000 zufällig ausgewählten Einwohnern, die ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten.
  • Die monatliche Zahlung beträgt 1.346 Euro und wird zuzüglich Krankenversicherung gewährt, der Betrag steigt jährlich entsprechend der Inflationsrate.
  • Eigenes Einkommen wird angerechnet, sodass bei niedrigen Einkommen die Auszahlung höher und bei höheren Einkommen entsprechend geringer ausfällt.
  • Der Kostenrahmen liegt bei rund 50 Millionen Euro, davon etwa 42 Millionen für die Auszahlungen und rund 8 Millionen für Vorbereitung, Durchführung und wissenschaftliche Begleitung.
  • Abgestimmt wird am 12. Oktober 2025 von 8 bis 18 Uhr, der Volksentscheid gilt als angenommen, wenn mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten zustimmt und zugleich mehr Ja- als Nein-Stimmen abgegeben werden.

Einordnung

Das deutsche Feldexperiment liefert belastbare Hinweise: Ein regelmäßiges, bedingungsloses Einkommen kann Stabilität und Gesundheit verbessern, ohne Erwerbsarbeit auszuhöhlen. Offene Kernfragen – vor allem Finanzierung und Skalierung – bleiben. Der Hamburger Volksentscheid könnte klären, ob und wie ein größer angelegter Praxistest sinnvoll gestaltet werden kann.