Rechtswidrige Richtwerte für Wohnraum und steigende Mieten: Eine unheilige Allianz, die immer mehr Bürgergeld Bedürftigen das Genick bricht. Denn mal eben eine neue, günstigere Wohnung zu finden, ist nahezu unmöglich. Vielen bleibt da nur, in den sauren Apfel zu beißen. Heißt. Sie müssen bis zu 20 Prozent aus dem Regelsatz zur Miete beizusteuern, weil das Jobcenter mit Hinweis auf die Angemessenheit nur einen Teil der Kosten übernimmt.
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Zu wenige Sozialwohnungen
Der Wohnungsmarkt ist und bleibt ein schwieriges Pflaster. Weil zu wenig neu gebaut wird, insbesondere im Segment der Sozialwohnungen, gerät die Frage nach der Angemessenheit einer Wohnung im Rahmen des Bürgergeldes immer mehr zum Politikum. Denn – anders als gerne kolportiert wird – zahlen Jobcenter die volle Miete nur, wenn sie als angemessen gilt. Anderenfalls folgt ein Kostensenkungsverfahren und man hat sechs Monate Zeit, eine Alternative zu finden. Klappt das nicht, geht die Differenz von fiktiv angemessen zu real zulasten der Betroffenen. Den Teil der Miete, der als nicht angemessen gilt, müssen Bürgergeld Empfänger aus dem ohnehin knapp kalkulierten Regelsatz zuzahlen.
Die ersten 12 Monate des Bürgergeld-Bezugs gelten als Karenzzeit. Das Jobcenter prüft nicht, ob Miete und Nebenkosten innerhalb der Angemessenheitsgrenzen liegen. Das gilt jedoch nicht für Heizkosten, diese müssen grundsätzlich angemessen sein.
Wohnkostenlücke
Die Fraktion „Die Linke“ geht der Frage, wie hoch die Wohnkostenlücke ist, seit Jahren nach. Auf die jüngste Anfrage (Drucksache 20/8931, https://dserver.bundestag.de/btd/20/089/2008931.pdf) von Oktober 2023 zu den Werten aus dem vergangenen Jahr, liegt noch keine Antwort vor. Doch bereits die Daten aus 2021 sind erschreckend. Jede sechste Bedarfsgemeinschaft (400.000 Haushalte) zahlte bei der Miete drauf, im Schnitt 91 Euro. Ausgehend von 446 Euro damaligen Hartz IV Satz für einen Single, wären das über 20 Prozent des Regelsatzes (2020 waren es 86 Euro oder knapp 20 Prozent von 432 Euro).
Unrealistische Mietobergrenzen
Das Problem potenziert sich, weil viele Jobcenter mit alten Mietspiegeln und Werten arbeiten und die Obergrenzen nicht regelmäßig anpassen. Entsprechend unrealistisch sind die Werte, die Jobcenter als angemessene Wohnkosten für Bürgergeld Empfänger vorgeben. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat im Auftrag der Linksfraktion für 2020 insgesamt 24 Fälle rechtswidriger Richtwerte in acht Kreisen und Städten ermittelt, bei denen Gerichte aktiv wurden. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei nur um einen kleinen Ausschnitt handelt.
Steigende Mieten
Und da die Mieten kontinuierlich steigen, wird die Lage für Betroffene nicht besser. Das Wohnbarometer von ImmoScout24 zeigt eine Mietpreisentwicklung vom ersten zum zweiten Quartal 2023 von 2,5 Prozent im Bestand, 2,2 Prozent bei Neubauten und in den großen Metropolen sogar von 2,8 bzw. 2,4 Prozent. Da kommen die Jobcenter gar nicht hinterher, die Mietobergrenzen neu zu justieren. Daher wird Rechtssicherheit gefordert – derart, dass man von den Grenzwerten auch tatsächlich eine Wohnung mieten und warmhalten kann.
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