In einem kürzlich veröffentlichten Fall hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigt, dass einem Bürgergeld-Empfänger, der zusätzlich Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 310 Euro pro Monat verlangte, keine Kostenübernahme der Wohnkosten zusteht. Der Grund: Der Kläger konnte nicht ausreichend nachweisen, dass er tatsächlich zur Mietzahlung verpflichtet war. Sowohl das Jobcenter als auch das Gericht zweifelten an der Ernsthaftigkeit des Mietvertrags, der zwischen ihm und seiner Mutter geschlossen worden sein soll.
Worum geht es?
Der Kläger, der bereits den Hartz IV Regelbedarf (jetzt Bürgergeld) bezog, forderte vom Jobcenter die Übernahme der Kosten für seine Wohnung. Dabei verwies er auf einen Mietvertrag aus dem Jahr 1993, den er mit seinem inzwischen verstorbenen Vater abgeschlossen hatte. Nach dessen Tod, so der Kläger, habe seine Mutter die Rolle der Vermieterin übernommen. Da er die Miete nicht mehr zahlen konnte, habe sie ihm die Zahlungen gestundet. Für den Zeitraum von März bis August 2020 verlangte er deshalb vom Jobcenter, die monatlichen Miete in Höhe von 310 Euro zu übernehmen.
So hoch darf die Miete mit Bürgergeld sein
Warum lehnte das Jobcenter die Zahlung ab?
Das Jobcenter zweifelte an der Glaubwürdigkeit der Angaben des Klägers. Es bestand Unsicherheit darüber, ob die Wohnung tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt wurde und ob eine real existierende Mietzinsforderung vorlag. Die wichtigsten Punkte der Ablehnung:
- Unklare Wohnsituation: Bei einem Hausbesuch im Juli 2019 stellte sich heraus, dass das Haus des Klägers unbewohnt wirkte. Es gab keine Klingel und der Briefkasten war zugeklebt. Nachbarn berichteten, dass das Haus seit Jahren leer stand.
- Probleme bei der Postzustellung: Mehrere Schreiben, die an die Wohnadresse des Klägers geschickt wurden, kamen mit dem Vermerk „unzustellbar“ zurück. Das Jobcenter ging daher davon aus, dass der Kläger nicht tatsächlich dort lebte.
- Der fragwürdige Mietvertrag: Der Mietvertrag, der aus dem Jahr 1993 stammte, war nie an die veränderten Wohnverhältnisse angepasst worden, obwohl sich die Wohnsituation durch den Tod der Großmutter deutlich geändert hatte. Trotz angeblich jahrelanger Mietrückstände hatte die Mutter des Klägers als Vermieterin keine Schritte zur Kündigung unternommen, was Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Mietverhältnisses aufwarf.
Im Schreiben an den Kläger erklärte das Jobcenter, dass „die Übernahme der Unterkunftskosten nur dann möglich ist, wenn ein tatsächlicher Bedarf nachgewiesen wird. Dies ist in Ihrem Fall nicht ausreichend geschehen.“
Was sagt das Gericht?
Sowohl das Sozialgericht Ulm (Az. S 1 AS 2295/20) auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Az. L 2 AS 1661/23) bestätigten die Entscheidung des Jobcenters. Der Kläger konnte nicht ausreichend nachweisen, dass er tatsächlich zur Mietzahlung verpflichtet war. Besonders kritisch sah das Gericht die familiäre Verbundenheit zwischen Kläger und Vermieterin, seiner Mutter.
Das Gericht stellte fest: „Ein bestehender Mietvertrag allein genügt nicht, um einen Anspruch auf Kosten der Unterkunft geltend zu machen. Es muss nachgewiesen werden, dass tatsächlich eine Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken erfolgt und eine real existierende Mietzinsforderung besteht.“
Wichtige Punkte der gerichtlichen Entscheidung:
- Fehlende Nachweise: Der Kläger konnte keine Belege für geleistete Mietzahlungen oder Nebenkostenabrechnungen vorlegen. Er gab an, dass die Nebenkosten (Strom, Wasser, Heizung) in der Miete enthalten seien, konnte jedoch keine nachvollziehbaren Rechnungen vorlegen.
- Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Mietverhältnisses: Der Mietvertrag bestand unverändert seit 1993, ohne jegliche Anpassung an die sich verändernde Wohnsituation. Das Gericht ging davon aus, dass das Mietverhältnis aufgrund der engen familiären Beziehung nicht ernsthaft geführt wurde. Die Tatsache, dass die Mutter des Klägers seit 2019 keine Mietzahlungen mehr erhalten hatte und trotzdem keine rechtlichen Schritte unternommen hatte, untermauerte diesen Verdacht.
- Kein tatsächlicher Bedarf: Auch wenn der Kläger die Wohnung genutzt hätte, sah das Gericht keine real existierende Mietzinsforderung. Ohne den Nachweis eines echten Bedarfs an Mietzahlungen bestand somit auch kein Anspruch auf die Übernahme der Kosten durch das Jobcenter.
Scheinverträge mit Verwandten
Erst gestern berichteten wir über einen ähnlichen Fall, in dem ein Mietvertrag zwischen Verwandten ebenfalls zu Streitigkeiten mit dem Jobcenter führte. Auch dort wurde die Übernahme der Mietkosten verweigert, weil der Vertrag als „Scheinmietvertrag“ angesehen wurde. Beide Fälle verdeutlichen, dass Mietverhältnisse zwischen Familienmitgliedern besonders genau geprüft werden, um Missbrauch von Sozialleistungen zu verhindern.
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