Bürgergeld bedeutet: 6,30 Euro für Lebensmittel und Getränke am Tag – diese Zahl aus „hart aber fair“ vom 20.10.2025 brennt sich ein. Verbraucherschützerin Britta Schautz und HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth prallen an der Kernfrage aufeinander: Reicht das Bürgergeld-Budget für eine gesunde Ernährung – oder frisst es Mogelpackungen und hohe Grundpreise auf? Die Sendung legt den Finger in die Wunde: Es klemmt am Regelsatz, nicht an den Menschen.
Inhaltsverzeichnis
6,30 Euro als Systemgrenze
Verbraucherzentrale-Expertin Britta Schautz, promovierte Ernährungswissenschaftlerin, formulierte es ohne Umschweife: Von 6,30 Euro pro Tag lasse sich faktisch keine gesunde Ernährung sicherstellen. Nicht, weil Bürgergeld-Empfänger unfähig wären, sondern weil Mengen und Preise nicht zusammenpassen. Frisches Obst, Gemüse, Milchprodukte und proteinreiche Lebensmittel treiben den Kassenbon hoch. Wer Kinder satt bekommen muss, landet zu oft im Tausch zwischen „satt“ und „ausgewogen“. Die Sendung machte aus einer Rechengröße ein Alltagsproblem.
Tafel-Lebensmittel beim Bürgergeld anrechnungsfrei
Wie man auf die 6,30 Euro kommt
Der Regelbedarf für Alleinstehende (RBS 1) – sowohl beim Bürgergeld als auch in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt – beträgt 563 Euro im Monat und blieb zum 1. Januar 2025 unverändert – auch für 2026 wurde bereits eine weitere Nullrunde beim Regelsatz beschlossen. Für „Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke“ werden 34,7 Prozent angesetzt – rund 195,36 Euro pro Monat.
| Anteil am Regelbedarf (RBS 1) | Betrag |
|---|---|
| Nahrung & alkoholfreie Getränke | 195,39 € / Monat |
| pro Tag (30 Tage) | 6,51 € |
| pro Tag (31 Tage) | 6,30 € |
Bürgergeld: Regierung verschweigt Ernährungsarmut
Preis-Profis – doch das Budget bremst
Ein verbreitetes Vorurteil wird im Studio entkräftet: Bürgergeld-Empfänger können kochen, planen und Preise vergleichen. Schautz berichtet von einem Projekt mit Menschen, die von Ernährungsarmut bedroht sind. Gekocht wird routiniert, Angebote werden gejagt, Kilopreise verglichen. Viele sind Preis-Profis. „Ich hole mir da gern noch Tipps ab“, sagt Schautz in der Sendung. Das Problem ist nicht fehlendes Können, sondern das zu knappe Budget.
Streitpunkt in der Runde: Qualität gegen Menge
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth betont die hohe Produktqualität im deutschen Handel und widerspricht der pauschalen Aussage, gesunde Ernährung sei grundsätzlich nicht möglich. Die Verbraucherschützerin hält dagegen: Entscheidend sei, wie viel Obst, Gemüse, Milchprodukte oder proteinreiche Lebensmittel mit 6,30 Euro im Korb landen. Wer Kinder satt bekommen muss, priorisiert Sattmachen – und greift im Zweifel zu Toast mit Schmelzkäse – anstatt zu gesunden Lebensmitteln. Schautz warnt: Wenn günstige, nährstoffarme Produkte den Speiseplan bestimmen, drohen langfristig Gesundheitsfolgen.
Shrinkflation: versteckte Preiserhöhung am Regal
Diskutiert wurde zudem die Shrinkflation, die im Alltag meist als sog. Mogelpackung sichtbar wird und kleine Budgets zuerst trifft. Gemeint ist: weniger Inhalt bei gleichem Preis, der Grundpreis steigt. Der Begriff stammt aus dem Englischen, von „to shrink“ (schrumpfen) und „inflation“. Aus Verbraucherschutzsicht wurden drei Punkte hervorgehoben:
- Kennzeichnungspflicht bei Füllmengen-Änderungen, damit versteckte Preiserhöhungen am Regal sofort auffallen.
- Bessere Preistransparenz über Grundpreise, damit Verbraucher die tatsächliche Verteuerung erkennen.
- Preis- und Kostenbeobachtung entlang der Kette, um auffällige Aufschläge sichtbar zu machen.
Für Haushalte mit Bürgergeld bedeutet Shrinkflation: Der ohnehin knappe 6,30-Euro-Spielraum wird weiter ausgehöhlt – selbst wenn der Regalpreis gleich bleibt.
Lebensmittelpreise beschneiden die Kaufkraft von Bürgergeld Bedürftigen
Beispiel für Mogelpackung
Ein abstraktes Beispiel zeigt die Wirkung: Fällt die Füllmenge von 500 g auf 450 g, der Regalpreis bleibt 2,49 Euro, steigt der Preis pro 100 g von 0,50 auf 0,55 Euro. Das ist ein effektiver Aufschlag von rund 11 Prozent. Bei einem Tagesbudget von 6,30 Euro mit dem Bürgergeld fällt so eine Mogelpackung sofort ins Gewicht. Die Mogelpackungsliste der Verbraucherzentrale Hamburg dokumentiert solche Fälle seit Jahren und macht die Tricks sichtbar.
Preisbildung im Dunkeln: Beobachtungsstelle gefordert
Zwischen Erzeugerpreis und Kassenbon klafft eine Lücke. Schautz nennt die Kette eine Blackbox. Ihre Forderung: eine unabhängige Preis- und Kostenbeobachtungsstelle, die Margen entlang der Lieferkette sichtbar macht. Erst belastbare Daten erklären, wo Aufschläge entstehen und welche Maßnahmen wirken. Zustimmung kommt aus Teilen der Politik, Skepsis aus dem Handel, der vor Bürokratie warnt. Ohne Transparenz bleibt die Debatte im Nebel.
Kurzfristige Entlastung: Gesundes verbilligen, Tricks kennzeichnen
In der Sendung lagen zwei Stellschrauben auf dem Tisch. Erstens: eine spürbare Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte. Das würde genau jene Produkte günstiger machen, die im knappen Budget zuerst fehlen. Zweitens: klare, verpflichtende Hinweise bei Mogelpackungen, damit Füllmengen-Änderungen nicht länger verdeckte Preiserhöhungen sind. Beides entlastet direkt an der Kasse.
Neue Studie: Bürgergeld schützt nicht vor Armut
Quintessenz
6,30 Euro stehen für mehr als einen Tagesbetrag. Sie markieren die Grenze, an der gute Ratschläge enden und der Mangel beginnt. Bürgergeld und Grundsicherungs-Empfängern ist kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Sie kochen, sie vergleichen, sie planen. Und sie sparen bis an die Schmerzgrenze. Das Problem liegt nicht im Einkaufskorb, sondern im System: Preise hoch, Budget starr und festgefahren.
Transparente Preise, klare Hinweise bei Mogelpackungen und eine geringere Mehrwertsteuer auf Gesundes würden sofort helfen. Doch am Ende entscheidet die Höhe des Regelsatzes, ob aus 6,30 Euro eine ausgewogene Mahlzeit wird.
Quelle: Alles wird teurer: Was tun gegen die steigenden Preise? – Hart aber fair vom 20.10.2025


